Elternunterhalt – Kinder zahlen für ihre Eltern
Niemand will zum Pflegefall werden und anderen zur Last fallen. Nicht den Angehörigen und vor allem nicht finanziell. Aber da werden wir nicht gefragt. Unfall, Krankheit oder Alter heißen die Unbekannten vor denen wir uns mit der Pflegeversicherung für den Fall der Fälle absichern. Und für das, was diese nicht abdeckt, gibt es ja die Möglichkeit einer Pflegezusatzversicherung, oder?
Das Problem ist gesellschaftlich gesehen vielschichtig, denn die Menschen werden immer älter. Einerseits ist das gut, wenn wir mehr von unserem Leben haben. Andererseits steigt damit auch die Zahl der Pflegebedürftigen in der kommenden Dekade um etwa eine Million auf knapp 3,5 Millionen.
Die Finanzierungslücke stopft der Elternunterhalt
Gleichzeitig zahlen wegen des Geburtenrückgangs immer weniger junge Menschen in die Sozialsysteme ein. Die Gehälter stagnieren seit Jahren und die Zahl der Menschen, die im Billiglohnsektor beschäftigt sind, steigt. Damit entsteht eine Lücke zwischen dem Bedarf an Hilfe im Pflegefall und der Leistungsfähigkeit der Pflegeversicherung. Die Lösung wäre also eine generelle Erhöhung der Beiträge oder die Einführung eines Elternunterhalts für jene, die es sich leisten können.
Die Pflegekosten können schnell das übersteigen, was Pflegeversicherung und Rente im Alter abdecken. Dann sind die Kinder gesetzlich dazu verpflichtet, im Rahmen ihrer Möglichkeiten für ihre Eltern zu zahlen. Das gilt selbst dann, wenn der Kontakt zwischen Eltern und Kindern seit langer Zeit abgebrochen ist. Und was versteht der Gesetzgeber unter dem Rahmen der Möglichkeiten der Kinder?
Mit welchen Kosten muss man beim Elternunterhalt rechnen?
Bis Anfang 2017 gab es drei Pflegestufen. Seit einem Jahr gelten die neuen Einteilungen in fünf Pflegegrade. Die Unterbringung in einem Heim kostete nach der alten der Pflegestufe III 2015 bereits über 3.000 Euro. Bei einer Einteilung in die neuen Pflegegrade 4 und 5 übernimmt die Pflegeversicherung knapp 1.800 bzw. 2.000 Euro. Dabei entsteht eine Differenz von 1.000 bis 1.500 Euro. Diese zahlt zunächst der Staat bzw. der Steuerzahler. Dann prüfen die Sozialämter die Vermögen der unterhaltspflichtigen Kinder und fordern die Kosten zurück.
Ist die Tochter oder der Sohn des Pflegebedürftigen verheiratet, sind Kind und Schwiegerkind mit einem gemeinsamen Netto-Einkommen von bis zu 3.500 Euro nicht unterhaltspflichtig. Liegt das Einkommen beider bei 2.000 Euro, werden etwa 200 Euro fällig. Es gilt: je höher das Einkommen des Kindes, desto höher der Unterhalt. Das heißt, verdient das Kind des Pflegebedürftigen 3.500 Euro und der Ehepartner 500 Euro, liegt der Unterhalt für den betreffenden Elternteil bei fast 350 Euro, im umgekehrten Fall sind für die Schwiegereltern 34 Euro zu zahlen.
Bei Alleinverdienern verschieben sich die Beträge
Liegt ein Nettoeinkommen von 4.000 Euro vor und das eigene Kind verdient das Geld in der Ehe allein, beträgt der Unterhalt etwas mehr als 400 Euro. Wenn der Alleinverdienst beim Schwiegerkind liegt, ist das Paar nicht unterhaltspflichtig. Das heißt, der Alleinverdiener muss nicht für die Schwiegereltern aufkommen.
Unterhalt für Single-Kinder
Ist das Kind des Pflegebedürftigen jedoch Single, so fällt ein Unterhalt von 1.100 Euro an. Die Untergrenze für Single-Kindern liegt bei einem Netto-Einkommen von 2.000 Euro mit einem Elternunterhalt von 100 Euro. Liegt das Einkommen darunter, muss nicht gezahlt werden.
Was wird neben dem Einkommen noch berechnet?
Zusätzlich zum Einkommen werden Einnahmen aus Vermietung, Verpachtung und Kapitalerträgen mit einberechnet. Ferner rechnet das Sozialamt den Mietvorteil ein, wenn die unterhaltspflichtigen Kinder in einem Eigenheim oder einer Eigentumswohnung leben.
Schonvermögen und Freibeträge
Andererseits räumt die Sozialgesetzgebung Schonvermögen ein. Das heißt, dass niemand aufgrund von Unterhaltszahlung selbst in finanzielle Not geraten darf oder gezwungen ist, einen Kredit aufzunehmen. Das Schonvermögen setzt sich aus Freibeträgen zusammen, die zum Beispiel Kosten für ihre Kinder wie Unterhalt, Nachhilfe, Musikschule oder den Beitrag für den Sportverein sein können. Bei Doppelverdienern ohne eigenen Nachwuchs kann das Sozialamt bis zur Hälfte alles einfordern, was den Freibetrag übersteigt.
Das Vermögen kann einfließen
Inwieweit Vermögen, Wertgegenstände und der Gegenwert von Wohneigentum in die Bestimmung der Höhe des Unterhaltes einfließen oder nicht, damit befassen sich derzeit die Gerichte. In angemessener Höhe sei von einem Schonvermögen auszugehen. Aber was ist angemessen? Zieht man verschiedene Urteile heran, bewegen sich die Gerichte in einem Schonvermögen von etwa 100.000 Euro, das nicht angetastet wird.
Bescheide anfechten
In einem sind sich die Experten derzeit einig: die Bescheide der Sozialämter sind fehlerhaft und sollen im Zweifel angefochten werden. Das kostet jedoch Zeit, Kraft und Nerven, denn die Offenlegung von Verdienst und Eigentum kann von den Betroffenen als Einblick in die Privatsphäre verstanden werden. Hartz-IV-Empfänger kennen dieses Gefühl. Hinzu kommen die Zeit bei Gericht und die eventuell anfallenden Kosten für den Rechtsbeistand.
Politik müsste nachbessern
Die Politik ist eigentlich in der Verantwortung, die Bürger und Gerichte in dieser Frage zu entlasten und den Pflegebedürftigen die professionelle Hilfe zukommen zu lassen, die sie als Mitglieder der Gemeinschaft benötigen und verdienen. Gleichzeitig dürfen die nicht vergessen werden, die diese Hilfe jeden Tag leisten und deren Anerkennung gern zu kurz kommt. Das heißt, es muss ein Pflegekonzept her, das alle Seiten gebührend berücksichtigt.